Click für Blick funktioniert oft nicht

Click für Blick funktioniert oft nicht

Warum Click für Blick bei Aggressionsverhalten oft nicht funktioniert

„Click für Blick“ gilt als beliebte Methode im modernen Hundetraining. Der Hund soll lernen: Wenn ich ruhig schaue statt zu reagieren, folgt eine Belohnung. Das klingt logisch und nett. Ich denke, ich spreche für die Mehrheit der HundehalterInnen, wenn ich sage, dass wir uns eher für die möglichst freundlichste Trainingsmethode entscheiden würden.
Doch viele Halterinnen erleben, dass diese Methode bei aggressivem Verhalten einfach nicht funktioniert oder sogar das Gegenteil bewirkt. Warum das so ist, erkläre ich hier im Detail.

Was bedeutet Click für Blick?

Beim Click für Blick wird jedes ruhige Hinschauen auf einen Reiz mit einem Markersignal bestätigt, meist durch einen Clicker oder ein kurzes Wort wie „Yes“. Danach folgt eine Belohnung.
Die Idee: Der Hund lernt, dass es sich lohnt, einen Auslöser ruhig wahrzunehmen, statt aggressiv zu reagieren.

In der Theorie ist das einfach. In der Praxis zeigt sich jedoch: Click für Blick funktioniert nicht bei jedem Hund und nicht bei jeder Form von Aggression.

Besonders bei Aggressionsverhalten gegenüber Artgenossen scheitern viele Hundehaltende mit dieser Methode.

Das spielt den Fans des seltsamen Trends konservativer und unnötig rauer Trainingsmethoden natürlich in die Hände: Wenn das eine Extrem nicht gefruchtet hat, probieren wir es doch mal mit dem anderen Extrem.

1. Aggression entsteht selten nur durch mangelnde Impulskontrolle

Aggressives Verhalten ist kein Zeichen von Ungehorsam, sondern Ausdruck einer Emotion – meist Angst, Unsicherheit, Frustration oder Stress.
Wenn ein Hund sich bedroht fühlt oder bereits gelernt hat, dass aggressives Verhalten Distanz schafft oder sonstwie eine Lösung für eine, für den Hund gerade unangenehme Situation ist, greift reines Markertraining zu kurz. Der Hund ist emotional zu stark aufgewühlt, um eine Belohnung überhaupt wahrzunehmen.

Selbst bei konsequentem Training wird der Click dann nicht mit Entspannung, sondern mit Anspannung verknüpft. Das erklärt, warum Click für Blick bei aggressiven Hunden häufig nicht funktioniert.

Besonders, wenn diese Methode in Ballungsgebieten schnell im Alltag eingesetzt wird, führt das meiner Erfahrung nach fast immer zu einer Verschlechterung des Verhaltens. Die meisten Hundehaltenden sind nicht in der Lage, die Erregungslage ihres Hundes adäquat einzuschätzen und bemerken diese erst, wenn sie bereits viel zu hoch ist und der Hund kurz davor steht „die Fassung zu verlieren“. 

Meist wird in Ratgebern beschrieben, dass so lange geclickt werden kann, solange der Hund noch „tolerierbares Verhalten“ zeigt. Dabei ist zum Einen oft total unklar, was denn „tolerierbares Verhalten“ sein soll und zum Anderen wird die emotionale Verfassung des Hundes komplett ignoriert. Diese wird jedoch immer mit eingeübt und wenn ich das nicht mitdenke, brauche ich mich nicht wundern, dass mein Hund nach einigen Wochen aufgepeitscht wie ein Eintracht-Hooligan durch die Straßen marschiert und mit erhobenem Mittelfinger „Zeig mir den Hund“ spielt.

2. Studien zeigen klare Grenzen des Clickertrainings

Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass der Clicker kein Allheilmittel ist:

  • Gilchrist et al. (2021) fanden, dass Hunde, die mit Clicker und Belohnung trainiert wurden, kein schnelleres Lernergebnis zeigten als Hunde, die nur über Futter belohnt wurden.
    → Der Clicker verbessert das Lernverhalten nicht automatisch.

  • Rooney & Cowan (2011) zeigten, dass Clickertraining zwar zu stabilerem Verhalten führt, aber nicht zu schnellerem Lernen.
    → Für emotional aufgeladenes Verhalten wie Aggression ist das zu wenig.

  • Clickertraining ist vor allem bei neuen, klar definierten Übungen wirksam. Nicht jedoch bei komplexen emotionalen Themen wie Angst oder Frustration. 

Das bedeutet nicht, dass Clickertraining schlecht ist oder die Methode des Click für Blicks an sich schädlich. Wer das behauptet hat genau wo wenig verstanden, wie die Verfechter dieser Methode.

Tief verankerte, aus Hundesicht logische, für uns unerwünschte Verhaltensweisen zu verändern, die noch dazu meist hochemotional sind, ist viel komplexer, als dass sie mit einem kleinen „Trick“ zu verändern wären.

Ebenso möchte ich aber an dieser Stelle betonen, dass die oben zitierten Studienergebnisse oftmals missbraucht wurden, um gegen positive Verstärkung und insbesondere das Markertraining zu wettern ohne sich überhaupt mit diesen Methoden ernsthaft auseinander gesetzt zu haben. Gerne wird dann schnell behauptet: „Wer viel mit Markern arbeitet ist naiv und wird niemals „echte“ Verhaltensprobleme lösen können…am Ende hilft halt doch nur Hemmung, Druck, Strafe..“. Das ist falsch und mich ärgert, dass sich in der Hundeszene (auf beiden Seiten) immer mehr Markertingspezialisten tummeln die versuchen, komplexe Trainingswege auf ein Minimum runter zu brechen. 

3. Timing und Erregungsniveau sind entscheidend

Bei aggressiven Verhaltensweisen ist das Timing des Clicks entscheidend und gleichzeitig sehr schwierig. Besonders für investierte Hundehaltende, die selbst meist genauso angespannt und aufgeregt sind, wie ihr Hund.
Ein Hund kann innerhalb von Sekundenbruchteilen von „schaut kurz“ zu „springt nach vorne“ wechseln. Der richtige Moment für den Click ist dann längst vorbei. Hinzu kommt, dass sich der emotionale Zustand noch viel, viel schneller und nicht immer sichtbar verändern kann.

Zudem gilt:

  • In hoher Erregung möchten Hunde oft keine Belohnung aufnehmen. Sie verfehlt komplett ihren belohnenden Charakter und spätestens jetzt läuft das Training in eine ganz falsche und fatale Richtung.

  • Der Click wird nicht mehr als neutraler Marker, sondern als zusätzlicher Reiz wahrgenommen.

  • Statt Entspannung zu fördern, kann das Training die Spannung sogar verstärken. Nicht nur aufgrund eines falschen Setups und Einschätzung einer geeigneten Trainingssituation.  Oft wird beim Aufbau eines Markers schon die emotionale Verfassung des Hundes und sein Verhältnis zur Wahl einer entsprechenden Verstärkung falsch eingeschätzt oder gewaltige viel Frustration „mitkonditioniert“.

Wenn das Erregungsniveau zu hoch ist, funktioniert Click für Blick also nicht, selbst bei gutem Timing und motivierenden Belohnungen.

Dazu kommt, dass die Methode an sich, in der Vorbereitung, bereits häufig nicht adäquat an den Hund angepasst und zielführend eingeführt und trainiert wird.

Das ist einer der Gründe, weshalb ich (wenn ich mich dazu entscheide, das Markertraining mit in einen Trainingsprozess aufzunehmen), meist darauf bestehe, nochmal ganz neu zu beginnen. Egal, ob du vorher bereits geclickert hast. Das ist keine Geldmacherei. Nur so kann ich sicherstellen, dass schon beim Aufbau die gewünschte Erregungslage mit einem bestimmten Marker verknüpft wird.

4. Fehlende Rahmenbedingungen verhindern den Lernerfolg

Click für Blick kann nur funktionieren, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Dazu gehören:

  • Management: Der Hund sollte nicht regelmäßig Situationen erleben, in denen er überfordert reagiert. Das ist im Alltag vieler HundehalterInnen schon mal recht schwierig.

  • Distanz: Der Auslöser muss so weit entfernt sein, dass der Hund noch ansprechbar bleibt. Auch das zeigt: Für die meisten Hundehaltenden ist das nicht sicher umsetzbar und spätestens hier beginnt im alltäglichen Einsatz der „Pfusch“.

  • Ersatzverhalten: Meist wird empfohlen: „Es braucht ein klares „Was stattdessen?“ Zum Beispiel Blickkontakt, Zurückweichen oder Sitz.“ Aber: Alternativverhalten sind nur wirkungsvoll, wenn sie echte Alternativen sind. Sie müssen eine alternative Lösung für das Problem des Hundes darstellen. Ein Hinsetzen oder Anschauen des Menschen ist das in der Regel nicht. Schon alleine deshalb scheitert ein Vorgehen nach Kochrezept fast immer. Denn um hier sinnvoll und fair zu trainieren bedarf es einer genauen Kenntnis des Problems des Hundes (viele Hunde haben an dem Punkt meist gar kein Problem, da sie ja bereits eine Lösung gefunden haben > Aggressionsverhalten), also was bezweckt der Hund mit seinem Verhalten. Im nächsten Schritt muss alltagstauglich und nachhaltig erarbeitet werden, wie wir als Hundehaltende also das gleiche Ergebnis (aus Hundesicht) mit einem erwünschteren Verhalten (aus unserer Sicht) erzeugen können.

Der letzte Punkt ist vor allem für Menschen schwierig, die sich einfach einen Hund wünschen, der auch auf dem engsten Bürgersteig gefälligst ruhig und neutral an fremden Hunden vorbei gehen soll und denen es besonders schwer fällt zu akzeptieren, dass ausgerechnet ihr Hund das immer sch… finden wird, weil es ihm zu nah ist und einzusehen, dass ihr Wunsch oft auch mit einer der Auslöser für das Aggressionsverhalten war. 

Fehlen diese Grundlagen, weiß der Hund nicht, welches Verhalten überhaupt erwünscht ist.
Er klickt sich „durch die Situation“, ohne dass sich seine Emotion ändert. Genau deshalb scheitert Click für Blick oft bei reaktiven oder aggressiven Hunden.

Zusammenfassend muss ich sagen, dass die Methode für ein Training on the go, eine Lösung für den Alltag, für ein bisschen Training nebenbei einfach nicht geeignet ist. 

Das Problem ist hier jedoch nicht die Methode. Denn richtig umgesetzt kann sie der Wendepunkt sein. Die Umsetzung ist nur leider oft nicht gut und die Möglichkeiten, fehler zu machen, sind in jedem einzelnen Zwischenschritt mannigfaltig.

Vor allem auch, weil viele Menschen anfangs super euphorisch mit dieser Methode sind: Sie können was tun, ihr Hund reagiert im Training anfangs oft super und schwupps….passieren Fehler, weil Lernen halt leider viel komplexer ist, als gedacht und für den korrekten Einsatz stundenlange Vorträge und individuelle Anpassungen nötig wären. Wer hat da schon Lust drauf, wenn andere Hunde doch scheinbar ohne je eine Sekunde Training an jedem Hund easy vorbei latschen?

5. Falscher Einsatz und Missverständnisse im Training

Viele Halterinnen setzen Click für Blick ein, ohne dass die Grundlagen richtig aufgebaut wurden. Typische Fehler sind:

  • Der Hund hat nie korrekt gelernt, was der Click (oder ein anderer Marker) bedeutet. Oft haben es auch die Hundehaltenden nicht wirklich verstanden.

  • Der Click kommt zu spät oder in falschen Momenten.

  • Das Training beginnt in zu schwierigen Situationen.

  • Es fehlt eine langsame Steigerung der Reizintensität.

So kann der Hund den Click nicht mit Sicherheit oder Entspannung verbinden und das gewünschte Verhalten bricht dann schnell wieder zusammen.

Fazit: Warum Click für Blick oft nicht funktioniert

Click für Blick ist ein hilfreiches Werkzeug, aber kein Allheilmittel.
Bei Aggressionsverhalten funktioniert es häufig nicht, weil die zugrunde liegenden Emotionen nicht allein über Markertraining veränderbar sind.
Aggression ist kein Verhaltensproblem, sondern fast immer ein Emotionsproblem.

Zusätzlich liegt der Fokus des Menschen oft auf dem Abstellen des unerwünschten Verhaltens. Dass der Hund eine Alternative für das Aggressionsverhalten braucht, um ein gleiches Ergebnis zu erzielen ODER weitere Veränderungen im Alltag und Lernprozess, die dazu führen, dass ihm das Erreichen des Ergebnisses nicht mehr so wichtig ist (Prioritätenverschiebung), wird leider ganz oft vergessen oder ignoriert.

Damit steht und fällt aber, unabhängig von der eingesetzten Methode, jeder Trainingserfolg. Meinetwegen auch Umerziehungserfolg. Nenn es, wie du willst. 

Deshalb muss meiner Meinung nach faires Hundetraining immer ganzheitlich sein. Das bedeutet häufig auch, dass weitere Rahmenbedingungen, die Haltung des Hundes insgesamt, der allgemeine Umgang, ebenfalls verändert werden müssen und das wiederum…bedeutet, dass auch die Menschen an sich arbeiten müssen, Es wird also in jedem Fall erstmal ein bisschen unbequem. Kann aber auch Spaß machen 😉.

Wenn du mit einem aggressiven oder ängstlichen Hund arbeitest:

  • Nutze Markertraining nur als Ergänzung, nicht als einzige Methode.

  • Sorge für passende Rahmenbedingungen wie Distanz, Struktur und Sicherheit. Besonders anfangs brauchst du fast Laborbedingungen.

  • Baue ruhiges Verhalten bei niedriger Erregung auf. Merke: Emotionen werden immer mittrainiert und verknüpft.

  • Verstärke gezielt emotionale Entlastung, nicht nur Blickverhalten. Alternativverhalten muss für deinen individuellen Hund Sinn ergeben.

  • Lass dich bei am besten professionell begleiten.

Und denke immer daran: Nur weil eine nette Methode nicht funktioniert hat, heißt das nicht, dass man Problemverhalten nur verändern kann, wenn man seinen Hund anbrüllt, permanent gängelt und jeden Fehler sofort sanktioniert.

Nur, weil jemand eine Methode nicht beherrscht oder falsch einsetzt, ist die Methode an sich nicht unbedingt schlecht.

Setze dich damit auseinander, was in eurem Prozess genau schief gelaufen ist und was getan werden muss oder bislang gefehlt hat, damit dein Hund sein Verhalten entsprechend deiner Vorstellungen verändern kann.

Ich unterstütze dich gerne dabei ☺️

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